Verwaltung

Alte und neue Straßennamen in Hullern

Die gewählte Überschrift scheint eigentlich auf den ersten Blick paradox zu sein in Anbetracht dessen, dass überhaupt erstmals um 1966 in der damals noch selbständigen Gemeinde Hullern im Amt Haltern Straßen und Wege benannt worden sind.

In den sieben Jahren vorher war der heutige Halterner Ortsteil mehr und mehr aus dem früheren „Dornröschenschlaf“ erwacht.

Siedlungsprogramm

Im Frühjahr 1959 fiel seitens der Gemeindevertretung der „Startschuss“ zu einer neuen Entwicklung, einem umfangreichen Siedlungsprogramm: Am östlichen Dorfrand konnte in Absprache mit der Kreisplanungsbehörde der Bau der ersten 21 Eigenheime genehmigt werden.

„Man darf aus dem Programm einen größeren Vorteil für die Gemeinde entnehmen, die nach langem Stillstand nun auch einwohnermäßig wachsen wird. Mit der Ansiedlung von Leuten, die auf dem Wasserwerk beschäftigt sind, wird auch das Problem der Wasserversorgung neu angepackt werden, zumal die Wasserleitung unmittelbar am Dorf vorbeiführt...“, kommentierte die Halterner Zeitung am 02.04.1959.

Dorf Hullern im Jahre 1958.
Vergrößerter Ausschnitt aus der TK 4209 Haltern, Auflage 1958

Nach dem damaligen Gebietsentwicklungsplan für das Gebiet des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk war Hullern als ländliche Gemeinde mit vorwiegend landwirtschaftlichem Charakter eingestuft, der nicht wesentlich verändert werden sollte.

Von 1961 bis 1966 stieg die Einwohnerzahl zunächst nur um 64 auf ca. 665, da viele Einheimische unter den Bauherren waren.
Die siedlungsgeographische Entwicklung des Dorfes war Anlass und Begründung für den Beschluss der Gemeindevertreter, den in immer größerer Zahl fertiggestellten und wenigstens teilweise bebauten Straßen Namen zu geben. Auch Ortsfremde, so die Meinung, hätten ein Anrecht darauf, sich in Hullern besser zurechtzufinden.
Alle interessierten Bürger konnten sich bei der Namensuche beteiligen und ihre Vorschläge beim Tiefbauamt der Amtsverwaltung einreichen.
Offiziell gab es - im Sprachgebrauch - eigentlich immer nur die „Dorfstraße“ durch den dichter bebauten Ortskern. Im übrigen dienten alte Flurnamen zur genauen Lokalisierung und Abgrenzung von Feldern, Höfen, Häusern etc., nach denen sich aber lediglich die Poahlbürger orientieren konnten. Zudem wurden in Hullern seit 1815, als das Kirchspiel aufgrund seiner Lage in der ehemaligen Grafschaft Dülmen Teil des Königreiches Preußen wurde, die Wohnhäuser nach ihrer Bauzeit durchnumeriert.

Entlehnung aus Landschaft und Kataster

Rat und Verwaltung waren sich am 04. November 1966 schnell darüber einig, die erforderlichen Straßennamen aus der Landschaft und dem Kataster zu entlehnen. „Alte Volksmund-Bezeichnungen“ sollten erhalten bleiben, da sie aus vergangener Zeit, über die Geschichte der Gemeinde erzählen und zusätzlich Auskunft über frühere Besitzverhältnisse und Bodennutzungen geben.

Die Halterner Zeitung ging in ihrer Ausgabe vom 09.11.1966 ausführlich auf die eingereichten Namenvorschläge und den Entwurf der Gemeindevertretung ein, der nach eingehender Beratung letztendlich abgeändert und einstimmig beschlossen wurde.
Demnach erhielt die Bundesstraße 58 keine eigene Bezeichnung. Die vorgesehenen Straßennamen „Dorfstraße“, „Dornenkämpe“, „Hasenpättken“, „Gartenweg“, „Wohrt“, „Heidgarten“, „Hullersches Feld“ und „Steverweg“ wurden ersatzlos gestrichen, u.a. „Streyls Heide“ in „Auf der Heide“, „Birkenrith“ in „Zum Immberg“ und „Biesingsheide“ in „Birkenrith“ geändert.
Das Ergebnis der Beratungen zeigt eine damals in der Halterner Zeitung abgedruckte und erläuterte Straßen-Skizze, die verdeutlicht, wie die Erweiterung des Ortsbildes vor allem im Südosten vor sich ging. „Die beiden Hauptverkehrsstraßen - Halterner- und Borkenbergestraße - kreuzen sich im Ortszentrum, die Bundesstraße 58 umgeht oben den Ort und dürfte auch noch für die nächsten Jahre eine gewisse Grenze nach Norden bilden. 'Alter Postweg' erinnert an vergangene Zeiten, als gerade dieser Weg zwischen Hullern - Olfen und Ahsen eine der bedeutendsten Verbindungen für die kleine Stevergemeinde war. Hullerns neue Straßenkarte wird sicher nicht nur in Hullern selbst, sondern auch in Stadt und Amt unsere Leser interessieren und ihnen sicher manche willkommene Aufklärung geben.“

In den folgenden Jahren standen als Tagesordnungspunkte in den Sitzungen der Hullerner Gemeindevertretung immer wieder die Erweiterung der Straßenbeleuchtung, der Ausbau der Kläranlage (an der Westruper Straße) und die Vergabe von umfangreichen Kanalisationsarbeiten an. „Man sei soweit gewesen, daß der Kreis keinen einzigen Hausbau mehr habe genehmigen wollen, bis der Kanal gebaut sei.“ (RN vom 17.03.1971).

Neues Wohngebiet

In der letzten Sitzung der Gemeindevertretung vor Pfingsten 1971 konnte der rechtskräftige Bebauungsplan für ein neues Wohngebiet „im Teilabschnitt zwischen Lüdinghauser Straße und Alter Postweg“ präsentiert werden: Im Baugebiet Birkenrith - Wohrt (mit einer Größe von rund 200000 qm) sollen 172 Einfamilienhäuser, 78 zweigeschossige und 8 dreigeschossige Häuser, insgesamt 428 Wohneinheiten, für rund 1500 (Neu)bürger errichtet werden.
„Amtsdirektor Teigelkamp gab der Hoffnung Ausdruck, daß nach der Bebauung die Bevölkerung dieses größeren Ortsteils sich den Belangen und Interessen der Gemeinde so aufgeschlossen zeigen möge wie es in der jetzigen Gemeinde der Fall ist.“ (RN, Pfingstausgabe 1971).
Aufgrund der regen Nachfrage nach Grundstücken in diesem Neubaugebiet mussten sogleich drei Straßennamen vergeben werden: „An der Wohrt“, „Im Winkel“ und „Waldstraße“.
Bis Ende 1974 war die Hullerner Einwohnerzahl immerhin schon auf 876 angestiegen.

Bekanntlich wurde das Amt Haltern, zu dem die Gemeinde Hullern gehörte, im Rahmen der kommunalen Neuordnung durch das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Ruhrgebiet mit Ablauf des 31.12.1974 aufgelöst.
Rechtsnachfolgerin der Gemeinde Hullern wurde somit die neue Stadt Haltern.

Infolge Kommunalreform: Umbenennungen

Die kommunale Neuordnung brachte für die ehemalige Gemeinde nicht nur die politisch-administrative, flächenhafte Zuordnung der Bauerschaften Antrup, Westrup und der Siedlung Overrath in der Nähe des Heimingshofes an der Stever mit sich, wobei „über Nacht“ die Einwohnerzahl auf 1112 anstieg, sondern machte etliche Umbenennungen von Straßen erforderlich, deren Namen schon seit längerem in Haltern-Mitte oder in anderen Halterner Ortsteilen vergeben waren.

Straßenverzeichnis

Das folgende Straßenverzeichnis will einerseits einen Überblick über die Vergabe der Hullerner Straßennamen vor und nach der Kommunalreform bzw. über erforderliche Umbenennungen und geänderte Schreibweisen geben, andererseits kann sich der interessierte Leser über die (Be)deutungen einiger Namen in Anlehnung an alte Flurbezeichnungen oder entsprechende Bezüge zur Ortsgeschichte informieren.

Alte Hullerner Straßennamen vor der Kommunalreform vom 01.01.1975

(Unterstrichene Straßen sind später umbenannt worden)

Alter Postweg (Haltern - Hullern - Olfen)
Am Loh
Am Schulten Hof (Hinweis auf den ursprünglichen Standort des alten Hofes Schulte Hullern/Haus- Nr. 10, der um 1870 in die Bauerschaft Stevern verlegt wurde)
An der Brennerei (betr. die Dampf-Kornbranntwein-Brennerei Schulte/Deinken/Schulze Kökelsum, von 1787 bis zum 30.09.1973 in Betrieb)
An der Wohrt (Flurname Wort/Wohrt = festumgrenzte Stätte, unbebauter Platz, aber auchBezeichnung für einen Hof mit seinem Zubehör, ursprünglich zum Hof Schulte Hullerngehörig)
Antruper Straße (betr. Bauerschaft Antrup)
Auf der Heide
Birkenrith (Flurname, ältere Schreibweise: Birckenrieth; Ableitung wohl von „Riederstelle“, hier: jungerBirkenbewuchs, der damals oft in Form einer Waldfeldwirtschaft genutzt wurde)
Borkenbergestraße
Buttstraße (butt-en = außerhalb, außen; aus dem Dorf herausführende Straße; Wirtschaftsweg, ursprüngliche Bezeichnung seit 1825: „Buttstrate“)
Eichendorffstraße
Eichenstraße
Gartenstraße
Halterner Straße
Hullerner Straße/ Bundesstraße 58
Im Winkel
Kirchstraße
Lindenstraße
Lüdinghauser Straße
Mühlenstraße(in Anlehnung an die von Heinrih Brathe/Haus-Nr. 61 im Jahre 1911 erbaute, anfangs benzolbetriebene Mühle; Abbbruch des Gebäudes im Jahre 1986)
Pastoratsweg(betr. Pastorat der St. Andreas-Gemeinde)
Ringstraße
Schulstraße
Struebings Heide (bislang unklare Zuordnung des Familiennamens; siehe unten: geänderte Schreibweise „Strübings Heide“; neuerliche Schreibweise des Flurnamens in der TK 4209 Haltern: „Strübingheide“)
Tannenstraße
Waldstraße

Westruper Straße (außerhalb der ehemaligen Gemeindegrenzen von Hullern; Verlauf der Straße nördlich der Lippe durch die Bauerschaften Antrup und Westrup)
Zum alten Hof (in Anlehnung an „Pastors Hof“, ehemalige Hofstelle „Kroppes Hove“ in Antrup zwecks Unterhalt des Hullerner Pastors; Hofaufgabe vor 1825; siehe unten: geänderte Schreibweise: „Zum Alten Hof“)
Zum Imberg (laut Beschluss der Gemeindevertretung Hullern am 04. November 1966 Schreibweise „Zum Immberg“ Entlehnung von „Imme“ = Biene; der Verfasser hat am 29.09.1998 beim Kulturausschuss der Stadt Haltern einen Antrag auf Änderung in „Zum Immenberg“ gestellt, da diese Schreibweise etymologisch sinnvoller und eindeutiger ist als eine nachträgliche Korrektur in „Zum Immberg“). Der Antrag ist leider abgelehnt worden.

Umbenennung von Hullerner Straßen im Rahmen der Kommunalreform:

Alter Straßenname
in Hullern
Straßenname schon
vergeben in
Umbenennung der Straße
Auf der HeideHaltern-Mitte Dachsweg
Eichendorffstr.Haltern-Mitte Schürstatt (1)
EichenstraßeHaltern-Mitte Krummstiege
GartenstraßeHaltern-Mitte Am Knapp (2)
Halterner StraßeHauptstraße
Im WinkelLippramsdorf-MerschRehwinkel
KirchstraßeHaltern-Mitte Andreasstraße (3)
LindenstraßeHaltern-Mitte Im Lindenkamp
Lüdinghauser StraßeHauptstraße
MühlenstraßeHaltern-Mitte Schmiedestraße (4)
PastoratswegLippramsdorf Terwellenweg (5)
TannenstraßeHaltern-Mitte Am Loh
WaldstraßeHoltwick Am Waldrand

 


Anmerkungen

(1) Schür = Scheune, Schuppen; der Überlieferung nach wurden im Kamp „Schürstedt“ (und
nicht „Schürstatt“ - hier scheint den Verantwortlichen bei der Straßennamenvergabe in
Anlehnung an alte Flurbezeichnungen ein Fehler unterlaufen zu sein, vgl. RN Haltern vom
12.06.1991) auch Ziegelsteine gebrannt; Feuer „schüren“.
(2) Vgl. Heimatbuch „Hullern - ein Dorf zwischen Lippe und Stever“, 1994, S. 363 ff.:
alter Familienname „Rulck aufm Knapp“, Rulk gt. Knäpper (Haus-Nr. 51).
(3) St. Andreas, Schutzpatron der kath. Pfarrgemeinde.
(4) Betr. damalige Schmiede Zurhove (vorherige Anschrift: Mühlenstraße 57).
(5) Betr. Johannes Terwellen, Pfarrer in Hullern (1900 - 1930).


 

Geänderte Schreibweise von Hullerner Straßen nach 1975:

altneu
Struebingsheide
(Struebings Heide)
Strübings Heide
Zum alten Hof Zum Alten Hof

Neue Hullerner Straßennamen

( im Bereich Siedlung Heimingshof/Overrath in der Nähe der Stever)

Aalweg
An der Stever
Forellenweg
Im Greinenkamp
Karpfenweg
Strandweg (in der Nähe des Heimingshofes direkt an der Stever, Aufgabe des Weges um 1978/1979)

Ausblick: Wohnsiedlungsentwicklung

Mittlerweile ist die Hullerner Einwohnerzahl aufgrund einer intensiven Lückenbebauung im gesamten Ortsteil auf 2475 (Stand: 30.06.1998) angestiegen.
Aufgrund der großen Entfernung zur Stadtmitte (7 km) ist daher in den letzten Jahren die Tragfähigkeit für das kleine Versorgungszentrum stetig erhöht worden.
Was die weitere Wohnsiedlungsentwicklung anbelangt, so liegt momentan ein städtischer Änderungsantrag (Bebauungsplan der ehemaligen Gemeinde Hullern „Birkenrith - Wohrt“) auf eine südliche Straßenrandbebauung im Bereich „Zum Imberg“ der Bezirksregierung Münster zur Genehmigung vor.
Die Frage, ob in den nächsten 10 Jahren die westliche, südwestliche Randzone des Dorfes in Hinblick auf ihren hohen Wohnwert besiedelt wird, ist nicht von der Hand zu weisen.
Maximal 180 - 200 eingeplante Wohneinheiten auf dieser Fläche, die schon als Bauerwartungsland ausgewiesen ist, könnten eines Tages die Einwohnerzahl Hullerns auf über 3100 ansteigen lassen.
Folglich käme dann dem Kulturausschuss der Stadt Haltern die Aufgabe zu, sich mit einigen neuen Straßennamen zu befassen. An adäquaten Vorschlägen mit historischem oder räumlichem Bezug mangelt es in der Tat nicht.

Hullern im Jahre 1993/1994 Vergrößerter Ausschnitt aus der TK 4209 Haltern, Auflage 1994
Manuskript weitgehend veröffentlicht in: Halterner Jahrbuch, S. 41 - 48