Die Hullerner Schule

„Unser Dorf im Jahre 1950.“

Landschaftliche Lage / Geschichtliche Entwicklung Finanzen und Verkehr
Fläche und Bevölkerungsgliederung Kirche / Verwaltung / Schule

Ein Situationsbericht aus der Schulchronik

Als die Schule in Hullern nach Kriegsende am 01.10.1945 ihre Pforten wieder öffnete, fanden die Lehrpersonen weder Inventar noch Lehr- und Lernmittel mehr vor; der Unterricht konnte anfangs nur provisorisch wieder aufgenommen werden.
Bedauerlicherweise waren auch alle Akten und Urkunden über das bisherige Schulwesen verschwunden.
Der erste heute vorliegende Band der Schulchronik „Kath. Volksschule Hullern“ wurde von Lehrer Gerwens, der im Jahre 1948 nach Hullern versetzt worden war, angelegt.
Nach einem schulinternen Rückblick auf die Jahre 1945 - 1950, den auch Zeitungsausschnitte ergänzen, folgt aus seiner Feder unter obiger Überschrift eine einzigartige, originelle, aus historischer Sicht keineswegs unterzubewertende Beschreibung des hiesigen Lebensraumes.
Diesen Bericht besonders den alteingesessenen Mitbürgern, die sicherlich mit jenem Zeitraum viele persönliche Erinnerungen verknüpfen können, vorzuenthalten, wäre unverzeichlich; andererseit kann er den jüngeren „Poahl-“ und gerade den Neubürgern, die sich - auf mannigfaltige Weise - mit ihrem neuen Wohnumfeld identifizieren (wollen), eine weitere Hilfe sein, den bis heute unverkennbaren ökonomischen und sozialen Umwertungsprozess des Dorfes nachzuvollziehen.
An einigen Stellen sind dem Text (in Klammern) ergänzende Informationen bzw. Vergleichswerte älteren oder neueren Datums hinzugefügt.

 

Landschaftliche Lage:

„Hullern, ein Dörfchen im südlichen Münsterland bei Haltern, hat landschaftlich eine reizvolle Lage. Von zwei Berghügeln im Norden und Süden umrahmt, erstreckt es sich in einem ebenen Tal, durch das in vorgeschichtlichen Zeiten ein mächtiger Strom seinen Weg genommen haben muss, von dem heute noch zwei Flüsschen zeugen, die Stever und die Lippe.
Im Westen schließt sich das Hullerner Gebiet die durch ihre Wanderdünen und durch die unter Naturschutz gestellten seltenen Wacholdersträucher bekannte Westruper Heide an. Sie und das übrige Gebiet um den Halterner Stausee dienen der schwer arbeitenden Bevölkerung des Ruhrgebietes zum Erholungsaufenthalt. Unter solchen Umständen wird auch Hullern in dieses Erholungsgebiet mit einbezogen und von vielen abgespannten Menschen im Sommer besucht.
Im Norden erheben sich die Borkenberge, die durch das Segelfliegerlager am „Rauhen Hang“ bekannt sind, in West - Ost - Richtung und haben in nördlicher Richtung von Hullern ihre höchste, 137 m messende Erhebung, die auf ihrer Spitze einen hoch aufgereckten, schlanken Feuerwachtturm trägt, der weit ins Land hineingrüßt. Nach Westen verlieren sich die Borkenberge im Halterner Stausee und im Osten tauchen sie in der Ebene des Münsterlandes unter. Sie bauen sich aus Quarzsand und rostbraunen Eisensteinen auf. Ihre Bergrücken sind jetzt fast unbewaldet und nur mit dürftiger Grasnarbe bewachsen, weil durch Schießübungen der englischen Besatzungstruppen viele Waldbrände hervorgerufen wurden, denen große Bestände des heimischen Waldes zum Opfer fielen.
Am Fuße dieses Höhenzuges sucht ein Flüsschen, die Stever, die in den Baumbergen entspringt, sich in vielen anmutigen Windungen durch Feld, Weide und Wald seinen Lauf, um sein Wasser dem Halterner Stausee zuzuführen. Am Ufer der Stever wachsen seltene Pflanzen und in ihrem Wasser tummeln sich viele Fische (Hechte), die im Frühjahr und Sommer Naturfreunde und Angler anlocken. Weiil sie in ihrem Flusslauf soviel Abwechslung bietet, durchschneiden die Kiele flinker und schnittiger Paddelboote oft ihr Wasser und es ist wirklich so, wei ein Heimatdichter von ihr schreibt:

„An ihren Ufern leises Weben von Blumenduft und Vogelsang,
Auf ihren Wellen frohes Leben, in tausend Booten Lautenklang.
Ein Jachzen, Singen, Blicken, Regen im ewig jungen Frühlingssaal:
So spendet übervollen Segen das Silberband im grünen Tal.“

(Lehrer Schäfer, Haltern)

Im Süden ragen die Berge und Hügel der Haard auf, die im Gegensatz zu den Borkenbergen dicht mit Nadel- und Laubwäldern bepflanzt sind und so landschaftlich verlockender und anziehender sind als der Hügelzug im Norden. Auch die Haard hat West - Ost - Richtung. Sie dehnt sich aber weiter aus als die Borkenberge, bis auch sie sich im Flachland verliert. In ihrer Höhe hält sie sich mit dem Antipoden im Norden die Waage. Nördlich fällt sie bis zum Flusslauf der Lippe ab.
Die Lippe, die sich tief eingeschnitten in Mutter Erde in kunstvollen Windungen und Schlingungen durch das Land zieht, verfügt nur über ein reizloses, eintöniges Aussehen, das durch das Fehlen jeglichen Buschwerkes an ihren Ufern, abgesehen von einigem Gesträuch, daran schuld ist. Weil sie sich tief eingefressen hat, springt sie aus der Landschaft heraus nicht ins Auge, sondern man bemerkt sie erst, wenn man auf ihrem Ufer steht. Ihre Eintönigkeit lockt keine Wanderer; ihr Fischmangel, hervorgerufen durch die vielen Abwässer, die sie mit sich führen muss, keine Angler und ihre Untiefen und Strudel bieten dem Paddler mehr Gefahren als Erholung und Erfrischung. Bei Überschwemmungen richtet sie durch Landablagerungen mehr Schaden an, als wenn sie die Uferwiesen mit ihrem Schlick düngt.
Lippe und Stever begrenzen im großen den Raum des Dorfes. Im engen Bezirk wird Hullern durch einen mehrere hundert Meter tiefen Waldgürtel eingefasst, der im Osten an der Stever beginnt, sich wie ein Ring, nur mit einer Lücke im Südwesten, um die Dorfflur legt.
Durch die Lücke wird ein Ausblick auf die Haard und das davorliegende Dorf Flaesheim freigegeben. Nach Osten und Süden besitzt der Nadelwald eine solche Dichte, dass die roten Dächer der Bauernhäuser, die in diesem Gürtel eingebettet sind, unsichtbar bleiben, während der nördliche Waldgürtel an der Stever aufgelockert ist und sein Grün mit dem Rot der Dachziegel der Bauerngehöfte gesprenkelt erscheint.
Wie ein Durchmesser im Kreis den Mittelpunkt berührt und durchschneidet, so zieht sich die baumbestandene Asphaltstraße Haltern - Lüdinghausen durch die kreisförmig von den Wäldern umfassten Fluren und berührt das Dorf Hullern, das man als Mittelpunkt dieses Kreises bezeichnen kann und von seinen Feldern umringt ist. Auf diesen Feldern, die, nicht besonders fruchtbar, aus magerem Sandboden bestehen, wachsen im Sommer die verschiedenen Früchte, so dass nicht das eintönige Graugrün des Roggens den Schönheitssinn des Betrachters verletzt, sondern das satte Grün des Kartoffellaubes und des Hafers, das mit dem helleren Grün der Runkelrübenblätter wechselt, ist ein wohltuender Genuss für das menschliche Auge. Hullern liegt wie eine Insel mitten in diesem Meer. Im Weichbild des Dorfes, es hat die Gestalt eines langgestreckten Haufendorfes, vermischt sich die rote Farbe der Hausdächer mit dem Grün der Bäume und Gärten. Viele saubere Straßen und Wege durchziehen den Ort und münden fast alle an der Kirche aus. Die abwechslungsreiche Harmonie stört ein grauer, roher, würfelförmiger Betonbunker, den ein SA-Stab am Ende des Krieges nach modernen Gesichtspunkten mit drei Meter dicken Wänden erbauen ließ, der durchaus nicht zu den Fachwerkbauten der Bauernhöfe und zu den netten Backsteinbauten der Geschäfts- und Wohnhäuser passt. Aus dem Dorfbild ragen nur der kurze, schmale Schornstein einer Branntweinbrennerei und der schlanke, spitze Kirchturm der kath. Pfarrkirche hervor. Die Kirche, die als eine gotische Nachbildung anzusprechen ist, liegt etwas erhöht und beherrscht so das ganze Dorf. Nach Osten ist ihr Schiff durch stattliche Lindenbäume bedeckt.
So bietet das Dörfchen in der Gesamtheit ein nettes, ansprechendes und abwechslungsreiches Bild, das es in Verbindung mit seiner Lage zu einem reizvollen Dörfchen macht.

 

Geschichtliche Entwicklung:

... Trotz des so bedeutenden Alters ist Hullern ein einfaches Dörfchen geblieben, weil es fern von einem Straßenknotenpunkt oder einer wichtigen Verkehrsstraße lag. Erst seit kurzem ist das Dorf Hullern dem großen Verkehr angeschlossen. Die Halterner Verkehrsgesellschaft (Hahn) und die Postomnibuslinie Hamm - Lüdinghausen - Haltern haben im Dorfe Haltestellen. Trotz der abgeschlossenen Lage braucht Hullern nicht auf die vielen Neuerungen der modernen Technik verzichten. Hierbei nimmt der elektrische Strom einen bedeutenden Platz ein. Er spendet nicht nur Licht, sondern treibt die bäuerlichen und handwerklichen Maschinen, die Mühlen und die Wasserpumpen in vielen Häusern, so dass die Bewohner der Mühe enthoben sind, das Wasser mit der Hand zu pumpen. Ein Fortschritt war auch die Kanalisation zur Stever hin, die viel zur Sauberkeit im Ortsbild beigetragen hat. Hullern kann trotz seiner Kleinheit die Zahl von 20 Motorrädern, 2 Treckern in der Landwirtschaft und 2 Kraftfahrzeugen aufweisen, ganz abgesehen von den in die Hunderte gehenden Fahrrädern.“